Die Evolution der Sprache: Warum das Gender-Verbot keine Lösung ist

Von | Freitag, 22. März 2024

In einer Welt, die sich ständig verändert, ist es nicht ungewöhnlich, dass auch Sprachen einem steten Wandel unterliegen. Neue Wörter werden geschaffen, alte Begriffe verschwinden und Grammatikregeln passen sich den gesellschaftlichen Entwicklungen an. Ein aktuelles Beispiel für den dynamischen Charakter von Sprache ist das kontroverse Gender-Verbot, das kürzlich von der CSU verabschiedet wurde. Dieses Verbot zielt darauf ab, die Verwendung geschlechtergerechter Sprache in offiziellen Dokumenten zu unterbinden, was zu einer hitzigen Debatte über den Umgang mit geschlechtsspezifischer Sprache geführt hat.

Die Diskussion um geschlechtergerechte Sprache ist nicht neu, aber sie ist zweifellos ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Veränderungen und des zunehmenden Bewusstseins für Geschlechtervielfalt. Befürworter argumentieren, dass eine geschlechtergerechte Sprache dazu beiträgt, Geschlechterstereotypen zu bekämpfen und die Sichtbarkeit von Menschen jenseits der traditionellen binären Geschlechterkategorien zu erhöhen. Gegner des Genderings hingegen behaupten oft, dass es die Sprache künstlich verkompliziert und die Kommunikation erschwert.

Ein Blick auf die Geschichte zeigt jedoch, dass Sprache schon immer einem Wandel unterlag. Ein faszinierendes Beispiel dafür ist die Entwicklung des Deutschen über die Jahrhunderte hinweg. Betrachten wir das „Vater Unser“ als Illustration dieser Veränderung. Im Althochdeutschen, das um das 8. Jahrhundert herum gesprochen wurde, lautet der Anfang dieses Gebets:

„Vater unser, thu bist in himile, uuihi namun dinan…“
Im Vergleich dazu klingt die moderne Version, wie wir sie heute kennen:
„Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name…“

Abgesehen von der offensichtlichen Veränderung in der Rechtschreibung und Grammatik, ist auch die Bedeutung einiger Wörter im Laufe der Zeit verschoben. „Thu bist in himile“ im Althochdeutschen könnte heute als „Du bist im Himmel“ übersetzt werden, während „uuihi namun dinan“ dem modernen „geheiligt werde dein Name“ entspricht.

Dieses Beispiel verdeutlicht, dass Sprache ein lebendiges, sich ständig veränderndes Konstrukt ist. Wörter und Ausdrücke nehmen neue Bedeutungen an, alte Begriffe fallen aus Gebrauch und neue werden eingeführt, um den Bedürfnissen und Veränderungen der Gesellschaft gerecht zu werden.

Das Gender-Verbot der CSU ist eine Antwort auf diese dynamische Entwicklung, jedoch möglicherweise nicht die effektivste. Verbote können kurzfristige Lösungen bieten, aber sie ignorieren oft die tieferen sozialen und kulturellen Veränderungen, die den Wandel in der Sprache antreiben. Statt die Verwendung geschlechtergerechter Sprache zu verbieten, sollten wir uns bemühen, Sprache inklusiver zu gestalten und die Vielfalt der Geschlechteridentitäten anzuerkennen.

In einer Welt, in der die Kommunikation so entscheidend ist, ist es wichtig, dass Sprache nicht als starres Gebilde betrachtet wird, sondern als lebendiger Ausdruck der Gesellschaft, der sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Wenn wir diese Veränderungen anerkennen und akzeptieren, können wir eine Sprache schaffen, die für alle Menschen gleichermaßen zugänglich und inklusiv ist.

Fater unser, thu in himilom bist, giuuihit si namo thin; quaeme richi thin; uuerthe uuillo thin, sama so in himile endi in erthu. Broot unseraz emezzigaz gib uns hiuti. Endi farlaz uns sculdhi unsero, sama so uuir farlazzem scolom unserem. Endi ni gileidi unsi in costunga, auh arlosi unsih fona ubile. Amen.

Vater Unser in Althochdeutsch (Quelle)

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